Vilnius – Leedu

Auf den ersten Blick ist Vilnius, die Hauptstadt Litauens, keine solche Schönheit wie Riga oder Tallinn. Auf den zweiten auch nicht. Auf den dritten fängt man an herum zu laufen und entwickelt doch sehr viel Sympathie.
Die ersten grundsätzlichen Unterschiede, die mir auffallen: Es liegt zwar Schnee, aber Menschen haben sich die Mühe gemacht, die Bürgersteige zu räumen oder er ist schon geschmolzen. Es gibt Hügel (die Esten würden sagen Berge). Hügel, die hoch genug sind, um von oben die Stadt überblicken zu können. Vom Gediminas-Turm kann man nicht nur die Altstadt sehen, sondern auf der anderen Seite des Flusses Neris auch das moderne Vilnius, mit einer ziemlich beeindruckend hohen Skyline.

Alleine in der Altstadt soll es über dreißig Kirchen geben. Synagogen gibt es dagegen nur noch eine einzige, obwohl Vilnius früher als das Jerusalem des Nordens bekannt war. Leider sehen sich die meisten der Kirchen ziemlich ähnlich aus (vorne zwei kleine Türme, die spitz zu laufen) und stehen oft nah bei einander. Viele meiner inneren Monologe sahen so aus „Waren wir schon mal? Die Kirche kenne ich doch. Ach nein, die hier ist lachsfarben. Dann sind wir doch woanders.“ Überhaupt hat mein Orientierungssinn in Vilnius ziemlich versagt. Besonders der Rathausplatz ist immer etwas plötzlich aufgetaucht. Wie gut, dass es für so etwas hilfreiche Karten gibt … Nach drei Kilometern Wanderung in Richtung Verkiai Palast sind wir verwirrt. Unsere Route ist auf der Karte nicht mehr zu finden. Zwei Einheimische fangen an zu lachen, als wir ihnen von unserem Ziel erzählen und erklären uns, dass der Palast noch verdammt weit entfernt ist. Die Karte hat uns reingelegt, und ein kleines Quadrat mit dem Verkiai Palast so an den Rest der Karte gepuzzelt, dass die Wege zusammenpassen.

Abends erschrecke ich mich als Pseudoestin, als wir über den Kathedralenplatz laufen. Ist das etwa eine Russische Flagge? Nein, die litauische hat im Dunkeln einfach die gleichen Kontraste.
Abends konnten wir im Parlament ein Bier trinken. Allerdings nicht im litauischen. Uzupis, ein Künstlerviertel hat vor mittlerweile 20 Jahren einen neuen Staat im Staat gegründet. Einen Staat mit eigener Verfassung. Im Kneipenparlament werden die wichtigsten Entscheidungen getroffen.
Ein paar Auszüge:

Art. 1: Jeder Mensch hat das Recht, beim Fluss Vilnia zu leben, und der Fluss Vilnia hat das Recht, an jedem vorbei zu fließen.
Art. 3: Jeder Mensch hat das Recht zu sterben, aber das ist keine Pflicht.
Art. 16:Jeder Mensch hat das Recht, glücklich zu sein.
Art. 20: Niemand hat das Recht, Gewalt anzuwenden.

In Uzupis wohnt neben den vielen Künstlern auch ein ehemaliger Bürgermeister von Vilnius. Bekannt geworden ist er durch seinen Kampf gegen Autos, die auf Fahrradwegen parken. Man nehme einen Tank, ein bisschen Verrückheit – Auto platt. „Don’t make me get tank!“. Höchstwahrscheinlich gestellt, aber trotzdem ein sehenswertes Video. Nähere Begegnungen mit rücksichtslosen AutofahrerInnen hatten wir zum Glück keine. Am Zebrastreifen haben alle angehalten – wenn auch widerwillig.

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Bei gutem Wetter kann man im Nationalpark zur Insel Vilsandi wandern. Leider sind die Trittsteine überschwämmt, als wir da sind.
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