“Wir treffen uns dann nachher im Blumengarten!” Schon auf dem Weg dorthin wird mir klar, dass dieser Satz mir zum Verhängnis werden wird. Ganz Tallinn scheint auf den Beinen zu sein. Und das ist wirklich ungewöhnlich, normalerweise sind die Straßen der Großstadt hier ziemlich leer. Heute ist die Bahn in Richtung Kadriorg so voll, dass niemand mehr eine Wahl hat. Aussteigen geht erst wieder an der Endstation.
Der Kadriorg-Park oder auf deutsch “Katharinental” liegt ganz in der Nähe meiner Uni und erinnert mich ein bisschen an die Herrenhäuser Gärten in Hannover. Beim Lichterfest, das heute stattfindet, wird der Beginn des Herbstes und das Ende des Sommers gefeiert. Schon?
Noch bei Tageslicht lasse ich mich zum Schwanensee treiben und gelange sogar fast in die Erste Reihe. Ich kann den bunt beleuchteten Pavillon in der Mitte des Sees sehen und die beiden estnischen SängerInnen Karl-Erik Taukar und Liis Lemsalu. Ein paar Teenagerinnen neben mir singen begeistert mit. Scheinen also bekannt zu sein, die beiden. Und endlich wird es dunkel. Bisher hat es mich ein bisschen gestört, dass gefühlt jeder Este hier mit Selfies und dem perfekten Foto für Instagram beschäftigt ist. Jetzt werden die Handys Teil des Lichterfests und das sieht einfach wunderschön aus.
Auf dem Weg zum Blumengarten sehe ich viele unterschiedliche Lichter. Ganze Lichterkettennester in Bäumen, riesige Kerzen in den Blumenbeeten und kleine Leuchtgeschosse, die Jugendliche mit einer Schleuder in den Nachthimmel befördern. Das Fest ist trotz der Handys viel ruhiger, gemütlicher als Menschenaufläufe, wie ich sie sonst in der Größe kenne. Weniger Essensbuden, weniger Konzerte, weniger Feuerwerk – aber mehr Lichter und Festlichkeit. Und nach einer halben Stunde Warten und Suchen finde ich auch heraus, an welcher Treppe beim Blumengarten ich die anderen wiederfinde.